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Am 9. Mai versammelten sich Schüler:innen, Lehrer:innen, politisch engagierte der Zivilgesellschaft, demokratische Bündnisse und viele mehr vor dem Staatlichen Schulamt Cottbus. Hintergrund waren offene Brandbriefe und Hilferufe von Lehrkräften und Schüler:innen aus Spree-Neiße.

Vertreter:innen des Regenbogenkombinats waren zur Kundgebung gegangen. Wir beteiligten uns mit einem Redebeitrag:

 

Foto: CSD Cottbus e.V.
Hallo, mein Name ist Tom und ich bin ehrenamtlich tätig beim CSD Cottbus e.V. und bei unteilbar Spremberg. Wir stehen heute hier, weil wir uns mit denen verbünden, die den Mut hatten öffentlich zu werden und damit ein Tabu brechen. Wir stehen hier, weil wir gesellschaftlich darüber sprechen müssen, dass Menschen an Schulen nicht sicher sind und Hilfe brauchen. Wir stehen auch hier, weil wir demokratische Werte vertreten. Der CSD Cottbus e.V. setzt sich ein für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Inter*- und Trans*Menschen, kurz gesagt für das queere Leben im Landkreis Spree-Neiße.

Neben der Organisation des jährlichen CSD-Umzuges und der CSD-Aktionswochen bietet der CSD Cottbus e.V. auch ein ganzjähriges Programm in Form von Treffpunkten, der Regenbogenfahnenaktion “Wir für Akzeptanz” oder auch Workshops zum Thema “sexuelle und geschlechtliche Vielfalt” für Lehrkräfte, Erzieher:innen oder Schüler:innen an.

 

Die extrem rechten, rassistischen, sexistischen, homofeindlichen Aktionen oder die Gewalt gegen linke Jugendliche sind für uns keine Überraschung. Wir sind überrascht, dass scheinbar viele Menschen überrascht sind.

In unseren Workshops wird deutlich, dass Teilnehmende sich mit queeren Themen befassen und zugleich queerfeindliche Stimmen im Klassenraum vorhanden sind. “Schwuli”, “Schwuchtel”, “Schwule Sau” sind noch immer beliebte Schimpfworte auf dem Pausenhof oder im Sportunterricht. Trans*Menschen werden verletzt z.B. durch Mobbing, Gewalt und dem Gebrauch des Geburtsnamens, der oft für Trans*Personen Tabu ist. Daher halten sich queere Menschen zurück, bleiben unsichtbar und outen sich kaum öffentlich. Eine freie Entfaltung der Persönlichkeit, wie im Grundgesetz, ist daher nicht möglich. Für Betroffene ergeben sich Lernschwierigkeiten, psychische Erkrankungen und Depressionen. Die Suizidrate von queeren Menschen ist weitaus höher als zum Rest der Gesellschaft. Es gibt kaum Beratungsangebote und Treffpunkte für queere Menschen in der Region, sodass sie mit ihren Problemen oft allein sind.

Dem gegenüber stehen konservative und auch extrem rechte Ideologien und Grundeinstellungen. In Workshops nehmen Schüler:innen oft Bezug auf aktuelle politische Debatten, wie die Infragestellung des 3-Geschlechter-Systems oder die Ablehnung von geschlechtergerechter Sprache. Es gibt Diskussionen über Heterosexismus, nach dem Motto: “Wenn jetzt alle homosexuell oder trans* werden, dann stirbt die heterosexuelle Mehrheitsgesellschaft aus oder die Männer werden zu weich und dann kann Deutschland nicht mehr verteidigt werden“. Außerdem erleben wir Sprüche in Richtung Sozialdarwinismus. Auch Sätze wie “Warum darf ich denn kein Nazi mehr sein?” oder “Warum bin ich denn gleich ein Rassist, wenn ich mal eine andere Meinung habe?” sind keine Seltenheit. Hitlergruß und Hakenkreuz sehen auch wir in unseren Workshops.

Die Ablehnung von queeren Themen zeigt sich auch im Verhalten von Eltern und Lehrkräften. So gab es beispielsweise von einer Lehrerin die Anmerkung “Ich möchte, dass sich mein Kind ganz normal entwickelt.” Ihr Kind durfte am Workshop nicht teilnehmen.

Wir erleben, dass Schüler:innen bei Lehrer:innen wenig Hilfe erfahren oder sogar mit ihren Problemen abgelehnt werden. So findet die AG “Vielfalt und Toleranz” am Erwin-Strittmatter-Gymnasium in Spremberg keine Unterstützung bei der Suche nach einem Gruppenraum. Die engagierten der AG bemühen sich Vielfalt sichtbar zu machen. Sie kümmern sich darum, dass am Schulstandort zu den CSD-Aktionswochen eine Regenbogenfahne sichtbar aufgehängt werden soll. Schule sollte ein Ort sein, der für demokratische Werte und für Vielfalt offen und frei von Diskriminierung ist. Queere Jugendliche sollten in ihrem Engagement vor Ort kontinuierlich unterstützt werden.

Ich stelle fest, dass die Vermittlung demokratischer Werte immer wichtiger wird. Die Impulse und die Aufklärung sorgen für rege Diskussionen und Schüler:innen teilen ihre Gedanken, Ideen und Visionen mit. Gerade solche Initiativen, wie die AG “Vielfalt und Toleranz” des ESG zeigen, dass es viele Menschen gibt, die die Welt gerechter und vielfältiger gestalten wollen. Wir sollten es nicht zulassen, dass dieser Fortschritt bestraft wird, denn schließlich sind es doch die Ideen und die Vorstellungen von den Kindern und Jugendlichen, die morgen unsere Welt formen. Das ist, was mir Mut macht und mich hoffen lässt, dass wir in einer Welt leben können, die jedem Menschen auf Augenhöhe begegnet, denn wir haben alle unsere Fehler und Stärken und wir sind alle auf unsere Art wichtig und liebenswert.

Ich freue mich, dass ihr heute alle hier seid und wir gemeinsam ein wichtiges Zeichen in die Welt senden. Brandenburg bleibt bunt!

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